Musik
Begeben Sie sich mit 17 ausgewählten Songs von 1968 bis 1987 auf eine musikalische Reise durch Ost-Berlin und entdecken Sie dabei ein Stück Musikgeschichte der geteilten Stadt.
von Anne Franzkowiak und Albrecht Henkys
THOMAS NATSCHINSKI UND SEINE GRUPPE
In der Mokka-Milch-Eisbar
1968
Dieser Song erinnert an einen legendären Treffpunkt für junge Leute in der Karl-Marx-Allee. Als „Team 4" gegründet, musste sich die Band 1967 wegen des englischen Namens umbenennen. Auch für die Liedtexte war die englische Sprache unerwünscht. Doch der Sound, deutlich von den Beatles beeinflusst, vermittelt bis heute das Lebensgefühl dieser Aufbruchszeit.

Thomas Natschinski & Gruppe: In der Mokka-Milch-Eisbar
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MANFRED KRUG
Gestern war der Ball
1971
Multitalent und Publikumsliebling Krug singt mit einer Stimme, die stilsicher zwischen den musikalischen Genres wandelt. Dazu passt die Musik des Komponisten Günther Fischer: ein origineller, zeitloser Stilmix, liedhaft, rockig, jazzig, den Manfred Krug leichtfüßig interpretierte. Veröffentlicht wurde der Song auf dem Album „Das war nur ein Moment“.

Manfred Krug: Gestern war der Ball
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PUHDYS
Türen öffnen sich zur Stadt
1971
Ab 1969 öffneten sich die ostdeutschen Medien für professionelle Rockmusik. Den Startschuss für die Puhdys gab das DDR-Fernsehen 1971. Fans aus Gardelegen wollten die Band in der Jugendsendung „Basar“ sehen. Ein eigener Song mit deutschem Text war gefordert, dessen harter Gitarrensound nach westlichem Vorbild aber den Auftakt für eine ungewöhnlich erfolgreiche Karriere gab. Veröffentlicht wurde „Die Türen öffnen sich zur Stadt“ auf dem Album „Die Puhdys“.

Die Puhdys - Türen öffnen sich zur Stadt
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PANTA RHEI
Alles fließt
1971
Nur vier Jahre spielte diese musikalisch außergewöhnlich anspruchsvolle Formation zusammen. Zu den ausdrucksstarken Texten des Lyrikers Jens Gerlach entwickelte die Band eigenwillige Klangbilder auf höchstem Niveau zwischen Soul, Jazz und Rock. Wie bereits der Name der Band, stellten auch viele ihrer Songs philosophische Themen in den Mittelpunkt. Zehn Jahre nach seiner Veröffentlichung auf dem Album „Panta Rhei“ erschien der Titel erneut auf der LP-Compilation „Panta Rhei – Die frühen Jahre“.

Panta Rhei: Alles fließt
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VERONIKA FISCHER & BAND
Blues von der letzten Gelegenheit
1974
Eine unverwechselbare Stimme, die sich traumwandelnd zwischen Chanson, Rock und Blues bewegt. Typisch für die phantasievolle Rock-Lyrik dieser Jahre sind die metaphorischen Wortbilder, deren Doppeldeutigkeit oft die staatliche Zensur umgehen konnte.

Veronika Fischer & Band: Blues Von Der Letzten Gelegenheit
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USCHI BRÜNING & KLAUS LENZ MODERN-SOUL BIG-BAND
Reverend Lee
1973
Klaus Lenz gilt als der Name des DDR-Jazz. In seinen verschiedenen Big-Band-Projekten kam Uschi Brüning als Vokalsolistin zum Einsatz, die bis heute zu den unverwechselbaren Stimmen des Jazz gehört. Der Schriftsteller Ulrich Plenzdorf verewigte ihren Zauber 1973 in seinem Roman „Die neuen Leiden des jungen W.“ Darin heißt es: „Old Lenz und Uschi Brüning! Wenn die Frau anfing, ging ich immer kaputt. [...] Wie sie sich mit dem Chef verständigte ohne einen Blick, das konnte nur Seelenwanderung sein. Und wie sie sich mit einem Blick bedankte, wenn er sie einsteigen ließ. Ich hätte jedes Mal heulen können."

Klaus Lenz Modern Soul Big Band: Reverend Lee
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REINHARD LAKOMY ENSEMBLE
Das Haus, wo ich wohne
1974
Ein ironischer Kommentar zur Lösung der Wohnungsfrage in Ost-Berlin, der zugleich ein typisches Alltagsbild vom Leben in den Mietskasernen zeichnet, zwischen baulichen Mängeln und warmherzigen Begegnungen. Der Komponist, Pianist und Arrangeur Lakomy gehörte zu den vielseitigsten Musikerpersönlichkeiten. Er hinterließ ein breitgefächertes Werk von Jazz über Chanson bis hin zu Liedern für Kinder. Veröffentlicht wurde der Song auf dem Album „Lacky und seine Geschichten“.

Reinhard Lakomy Ensemble: Das Haus, wo ich wohne
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HORST KRÜGER-BAND
Die Tagesreise
1975
Über Jahrzehnte hat der Komponist und Bandleader die Rockmusik-Szene in der DDR geprägt. „Die Tagesreise“, eine geniale Komposition des Pianisten Michael Heubach, brachte Krügers Band mit dem brillanten Text von Jo Schaffer heraus. Eigenwillig arrangiert zwischen lyrischen und rockigen Klängen, schuf er damit eine unvergessliche Ikone des Ost- Rock. Erschienen ist der Song auf dem Album „Horst Krüger-Band“.

Horst Krüger-Band: Die Tagesreise
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MODERN SOUL BAND
Himmel und Hölle
1976
Inspiriert vom amerikanischen Soul der Band Blood, Sweat & Tears, kommt in den Songs der Modern Soul Band Band das alltägliche Lebensgefühl der eigenen, unmittelbaren Gegenwart zum Ausdruck. Ein kraftvoller Sound mit herausragendem Bläsersatz, der mit klarer Sprache tiefstes Gefühl zum Ausdruck bringt. Der Song war Teil des Albums „Modern Soul Band“.

Modern Soul Band: Himmel und Hölle
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ENGERLING
Da hilft kein Jammern
1977
Dem traditionellen Rhythm & Blues verpflichtet, hat diese unaufdringliche Band einen komplett eigenen rockigen Blues-Stil in deutscher Sprache hervorgebracht. Unabhängig von allen Modetrends werden mit feinstem Gespür kleine Alltagsgeschichten erzählt. Bis heute hat Engerling seinen Status als Kultband erhalten. „Da hilft kein Jammern“ erschien als B-Seite der Single „Engerling“.

Engerling Da hilft kein Jammern 1977 Germany locked
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HOLGER BIEGE
Sagte mal ein Dichter
1977
Mit einem ungewöhnlichen Zauber in der Stimme, mit eigenwilligen Arrangements und seinem brillanten Piano-Spiel ist dieser feinsinnige Musiker im Ost-Rock einzigartig geblieben. Seine Songs lassen Grenzen zwischen Klassik, Chanson und Rock verschwimmen. „Sagte mal ein Dichter“ erschien auf dem Album „Wenn der Abend kommt“.

Holger Biege: Sagte mal ein Dichter
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KARAT
Über sieben Brücken
1978
Mit dieser emotional berührenden Komposition von Ulrich Swillms hat die Band einen Welterfolg hervorgebracht. Bis heute ist diese lyrische Rock-Ballade, die durch Peter Maffays Version von 1980 sogar im Westen zum Erfolg wurde, der meistgecoverte Song des Ost-Rock.

Karat: Über sieben Brücken
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REGINE DOBBERSCHÜTZ
Solo Sunny
1980
Ein Song, der immer noch unter die Haut geht und bei allen, die den gleichnamigen Film gesehen haben, die Erinnerung an die unvergesslichen Bilder aus dem Meisterwerk des Regisseurs Frank Beyers weckt. Es geht um Alltag in heruntergekommenen Mietshäusern, die Sehnsucht nach einem selbstbestimmtem Dasein und die große Kunst des täglichen Improvisierens, die das Leben in Ost-Berlin in Bewegung gehalten hat.

Regine Dobberschütz: Solo Sunny
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SILLY
Mont Klamott
1983
Eine Hymne auf den alten Schuttberg im Friedrichshain. Mit dieser Platte schaffte die Band nicht nur den Durchbruch. Auch ein neuer, rebellischer Sound der 1980er Jahre kündigte sich darin an: Punk und New Wave trafen den Nerv der Zeit und das Lebensgefühl der jungen Generation.

Silly: Mont Klamott
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CITY
Wand an Wand
1987
Eine Band, die mit ihrem Sound zwischen kühler Melancholie und lässigem Hard-Rock den Nerv der Zeit traf. Die Songs wirkten wie poetische Fluchten aus dem Alltag. Sie gaben jungen Leuten Identifikation und Bestätigung in ihrem Anderssein. Ohne Scheu vor staatlichen Zwangsmaßnahmen wurden selbst politische Themen offen und kontrovers berührt. Veröffentlicht wurde „Wand an Wand“ auf dem Album „Casablanca“.

City: Wand an Wand
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FEELING B
Artig
1989
Der Punk war auch in der DDR kompromisslos und selbstverwaltet. Er erblühte jenseits der Zensurbehörden in einer Phase des gesellschaftlichen Verfalls. Mit provokanten und ironischen Songs wurde das staatlich verordnete Wohlverhalten karikiert. Musikalisch meist semi-professionell, waren die selbstverfassten Texte Ausdruck einer neuen, erfrischenden Sprachkultur. Ein Beispiel dafür ist „Artig“, veröffentlicht auf dem Album „Feeling B“.

Feeling B: Artig
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PANKOW
Langeweile
1989
Der Sound dieser Band entsprach dem Mythos von Rebellion und Anderssein. Gängige Tabus wurden in Text und Musik einfach ignoriert, Konflikte direkt angesprochen. Der Song „Langeweile“, erschienen auf dem Album „Aufruhr in den Augen“, brachte das Lebensgefühl der gesellschaftlich orientierungs- und planlosen 1980er Jahre zum Klingen. Ein Abgesang auf die versteinerten Verhältnisse in der DDR.

Pankow: Langeweile
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MUSIK AUS OST-BERLIN
Auch der „Eiserne Vorhang" konnte das Eindringen internationaler Trends in die die Rock- und Popmusik der DDR nicht aufhalten. Die dortige Musikszene jedoch unterlag staatlicher Kontrolle. Allzu heiße Rhythmen und englischsprachige Texte waren unerwünscht. Eine eigene, sozialistische Tanzmusik sollte geschaffen werden.
Beste Voraussetzung für diese gewünschte Form der Musik sahen die Kulturfunktionäre in einer soliden Qualifikation der Amateure oder zukünftigen Berufsmusiker. Erst mit deren Nachweis wurden die erforderlichen, damals so genannten „Pappen" (Spielerlaubnis und Einstufungen) erteilt. Noch bevor die Hochschule Hanns Eisler in Ost-Berlin 1978 ein Studium der Unterhaltungsmusik (U-Musik) anbot, hatte der Musikpädagoge Kurt Peukert an der Musikschule Friedrichshain eine Spezialklasse für die Bereiche Rock/Pop, Jazz, Chanson und Schlager eingerichtet. Aus dieser ging später der Fachbereich Rock und Pop hervor.
Viele Absolventen dieser Einrichtung, wie Herbert Dreilich, Tamara Danz, Dieter Birr, Toni Krahl, Veronika Fischer und Uschi Brüning, wurden zu Protagonisten einer erstaunlich erfolgreichen Entwicklung. Sie schufen mit ihren originellen, oft liedhaften Kompositionen einen ganz eigenständigen Beitrag zur deutschsprachigen Rockmusik-Geschichte.
Die vielfältigen Songtexte trafen den Nerv junger Leute, indem sie voller Poesie von alltäglichen Freuden und Nöten erzählen. Kritische Anmerkungen finden sich zwischen den Zeilen oder sind in eindrucksvollen Sprachbildern verborgen. Auch wenn in den 1980er Jahren kulturpolitische Lockerungen zu spüren waren, war es für Musikerinnen und Musiker immer noch eine Gratwanderung, sich zwischen dem eigenen Anspruch und der staatlichen Zensur bewegen zu müssen. Dennoch berühren diese Songs als Zeitbilder einer verschwundenen Welt noch heute und haben nichts von ihrer Wirkung eingebüßt.